Deshalb haben Sie als Cobol- und Fortran-Programmierer beste Job-Aussichten
2021-12-07T13:51:00+01:00Unter Entwicklern gelten sie als angestaubt und unbeliebt. Trotzdem sind die Programmiersprachen Cobol und Fortran bei Unternehmen gefragt. Warum ist das so?
Cobol und Fortran: Alt, aber längst nicht ausgemustert
Python, Java, JavaScript, PHP und alle C-Varianten gehören derzeit zu den beliebtesten Script- und Programmiersprachen weltweit. Das zeigen unter anderem Umfragen von StackOverflow und PYPL und TIOBE.
Auf den hinteren Rängen der Beliebtheitsskalen rangieren zum Beispiel Cobol und Fortran. Diese Platzierungen verwundern auf den ersten Blick nicht. Immerhin stammen beide Sprachen aus den 1950er-Jahren. Damit sind sie Dinosaurier aus der IT Steinzeit.
Doch Fortran und Cobol als unwichtig abzustempeln, das wird den beiden Programmiersprachen nicht gerecht! Obwohl sie über 60 Jahre Jahre auf dem Buckel haben, werden sie in manchen Bereichen weiterhin eingesetzt.
Zum Beispiel suchen Banken, Versicherungen, Finanzämter und auch die Weltraumbehörde NASA nach Cobol-Entwicklern und Fortran-Programmierern - und das händeringend. Denn es gibt zu wenige Developer, die in diesen Sprachen programmieren können.
Cobol und Fortran - eine lukrative Nische
Was ist der Grund, dass Cobol- und Fortran-Programmierer so gefragt sind? Warum werden diese weitere Jahre sichere Jobs haben? Und wo kommen sie zum Einsatz? Diese und weitere Fragen beantwortet Pierre Gronau in unserem Interview.
Der IT Experte hat selbst vor rund 25 Jahren mit der Cobol-Programmierung begonnen. Nun unterstützt er Unternehmen dabei, Altsysteme zu erneuern oder zu ersetzen.
Ratbacher: Herr Gronau, was macht Cobol und Fortran so besonders?
Pierre Gronau: Beide sind sehr alt und ehrwürdig. Cobol stammt aus dem Jahr 1959/1960. Die Common Business Oriented Language, so die lange Schreibweise, haben wir Grace Hopper zu verdanken - einer echten IT Ikone. Fortran steht für Formula Translation und war die erste höhere Programmiersprache. John W. Backus entwickelte sie bereits 1953.
Cobol und Fortran haben weiterhin ihre Daseinsberechtigung, insbesondere Fortran. Sie decken ganz spezielle Anwendungsszenarien ab, mit denen sich zum Teil neue Programmiersprachen noch schwer tun.
Ratbacher: Welche Anwendungsszenarien meinen Sie damit?
Pierre Gronau: Fortran spielt seine Stärken besonders bei den wissenschaftlichen und numerischen Berechnungen aus. Es ist bei seiner Ausführungszeit auf Höhe von Assembler. Cobol hingegen eignet sich bestens für die Entwicklung betriebswirtschaftlicher Anwendungen und für das Handling großer Datenmengen.
Ratbacher: Es heißt oft despektierlich, Fortran und Cobol würden lediglich auf Legacy-Systemen wie den jahrzehntealten IBM-Mainframes laufen. Stimmt das?
Pierre Gronau: Nein. IBM-Mainframes stehen nur noch in Museen. Die Altsysteme bei Unternehmen wurden schon längst durch neue Hardware-Technologien ersetzt. Es gibt nur wenige echte Legacy-Systeme, die im Einsatz sind, zum Beispiel in Satelliten. Aber diese lassen sich ja nicht austauschen, da sie durchs All schweben.
Ratbacher: Warum werden alte Cobol- und Fortran-Programme bei Versicherungen, Banken und Behörden nicht auf moderne Programmiersprachen migriert?
Pierre Gronau: Das hat mehrere Gründe. Zum einen handelt es sich um Code, der über Jahrzehnte entstanden ist und dementsprechend teuer war. Zum anderen werden die Programme aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen permanent weiterentwickelt. Ändert sich zum Beispiel das Sozialgesetzbuch, ist der Code anzupassen.
Ratbacher: Trotzdem arbeiten Behörden und Unternehmen daran, ihre alten Cobol- und Fortran-Programme in neue Systeme zu überführen. Was sind dabei die besonderen Herausforderungen?
Pierre Gronau: Zuerst müssen die Programmierer verstehen, was der Code bisher geleistet hat und wie das Datenmodell aussieht. Während die neuen Programme in einer anderen Sprache entwickelt werden, laufen die alten Cobol- und Fortran-Programme weiter.
Programmierer passen zudem fortwährend den Code an, weil es beispielsweise Gesetzesänderungen gibt. Um eine hohe Qualität zu gewährleisten, läuft der Parallelbetrieb rund ein bis zwei Jahre.
Und dann?
Am Schluss der Migration muss eine Übernahme der Daten erfolgen. In dieser Betriebsphase haben die Beteiligten zwangsläufig manuelle Eingaben doppelt zu tätigen.
Es verwundert also nicht, dass solche Projekte bis zu acht oder zehn Jahre dauern. Hierbei kommt es gerne vor, dass den Unternehmen bei den Ressourcen die Luft ausgeht.
Ratbacher: Laut verschiedener Umfragen erleben die beiden “antiquierten” Programmiersprachen ein Comeback. Woran liegt das?
Pierre Gronau: Es ist einerseits so, dass alte, in Cobol und Fortran programmierte Software, weiterhin am Leben erhalten wird. Zum Beispiel ist das Steuerrecht in Deutschland eines der umfangreichsten der Welt, es gibt permanent Änderungen. Diese Systeme zu ersetzen birgt ein hohes Risiko. Immerhin erwartet jeder von uns einen korrekten Steuerbescheid vom Finanzamt.
Andererseits spielt Fortran besonders im Mathematischen seine Stärken aus. Im Bereich des Machine Learnings, also der KI-Entwicklung, reichen Sprachen wie Python und Julia nicht aus. Hier wird mehr Genauigkeit benötigt, die dann aus den Fortran Libraries stammt.
Auf dem TIOBE-Index rutschte Fortran zwischen 2020 und 2021 um 15 Plätze nach vorne.
Ratbacher: Denken Sie, dass Cobol und Fortran in den kommenden Jahren wieder in die Top 10 der Programmiersprachen einziehen?
Pierre Gronau: Nein, das denke ich nicht. Doch der Trend bleibt wahrscheinlich stabil. Und ich gehe davon aus, dass einige Entwickler neben populären Programmiersprachen zusätzlich Cobol und Fortran erlernen. So können sie bei den Ersetzungsprojekten mitwirken.
Ratbacher: Cobol und Fortran wurden früher häufig an Hochschulen unterrichtet, heutzutage sieht es anders aus. Es stehen eher C, PHP, Python und Co. hoch im Kurs. Wie kommen Interessierte nun in die Cobol- und Fortran-Programmierung hinein?
Pierre Gronau: Leider ist diese Beobachtung richtig, dass Hochschulen die beiden alten Programmiersprachen aus ihrem Lernangebot geworfen haben. Trotzdem ist es weiterhin möglich, das Programmieren mit Fortran und Cobol zu erlernen.
Es gibt beispielsweise die Möglichkeit, sich bei erfahrenen Entwicklern einarbeiten zu lassen. Das dauert ungefähr sechs bis neun Monate. Oder Interessierte lassen sich von ihrem Arbeitgeber entsprechende Fortbildungen bezahlen. Zusätzlich gibt es den Weg des Selbststudiums.
Ratbacher: Welche Hard Skills sollte ein Cobol-Programmierer haben?
Pierre Gronau: Ganz wichtig ist das logische, analytische Denken.
Ratbacher: Und welche Hard Skills gelten bei einem Fortran-Entwickler als erwünscht?
Pierre Gronau: Hier ist Mathematik der Dreh- und Angelpunkt, da wissenschaftliche und numerische Berechnungen das Ziel sind.
Ratbacher: Und welche Soft Skills benötigt ein Cobol- oder Fortran-Developer?
Pierre Gronau: Aus Sicht der IT gehören Cobol- bzw. Fortran-Programmierer zu den Exoten. Teamarbeit gibt es selten. Man muss dementsprechend selbstständig Arbeiten können.
Ratbacher: Und was ist noch wichtig?
Pierre Gronau: Eine hohe Qualität beim Programmieren, besonders bei der Code-Effizienz. Teilweise muss der Code möglichst klein sein, da jedes Kilobyte zählt.
Ratbacher: Wie sieht es mit dem Gehalt aus? Wird ein Cobol- / Fortran-Programmierer Ihrer Erfahrung nach mit einem fürstlichen Salär belohnt, weil er in einer Nische agiert?
Pierre Gronau: In der Tat fallen die Gehälter für Fortran- und Cobol-Programmierer mitunter hoch aus. Dafür muss aber die entsprechende Leistung erbracht werden.
Ausschnitt aus einer Cobol-Stellenanzeige in der Ratbacher Stellenbörse für IT Jobs.
Ratbacher: Welche Weiterbildungen halten Sie für sinnvoll, um bei den beiden Programmiersprachen up to date zu bleiben?
Pierre Gronau: Ich empfehle spezielle Fachtagungen. Und für Fortran sollte man immer wieder sein mathematisches Wissen auffrischen.
Ratbacher: Vielen Dank für das Interview.
Bilder: Adobe Stock, TIOBE, Ratbacher