Entwickeln Sie mit JTBD Produkte, die Ihre Kunden wirklich wollen
2020-07-29T14:09:00+02:00Lassen Sie die Entwicklung von Software und innovativen Produkten nicht mehr zum Glücksspiel werden! Mit Jobs To Be Done (JTBD) finden Sie heraus, wie Ihre Kunden ticken und was sie bewegt. Die Ergebnisse sind teilweise wirklich erstaunlich.
Der Kunde, das unbekannte Wesen
“Unsere neue Software verkauft sich schlecht”, “Die Funktionen unserer App werden nicht genutzt” oder “Wir brauchen schnell ein bahnbrechendes Feature, ansonsten verlieren wir den Anschluss an die Mitbewerber”: Solche Aussagen kennen Sie vielleicht. Sie werden jeden Tag unzählige Male auf ähnliche Art und Weise in verschiedenen Unternehmen getätigt.
Daraufhin folgen meist Fragen wie: Warum hat unser Produkt keinen Erfolg? Warum findet es keine Kunden? Warum nutzen es die User nicht so, wie wir uns das gedacht haben? Was müssen wir verändern, um erfolgreicher zu werden?
Zusammengefasst lautet die große Frage: Was wollen unsere Kunden wirklich? Eine Methode, um darauf die passende Antwort zu finden, ist Jobs To Be Done.
Was hat es mit Jobs To Be Done auf sich?
Clayton M. Christensen gilt als der “Vater der Disruption”. Der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmensberater, Professor und Erfolgsautor prägte 1997 den Begriff “Disruption” in seinem Buch “The Innovator’s Dilemma”. Ebenso erfand Christensen die Theorie von Jobs To Be Done, die er 2016 in seinem Buch “Competing against luck” (deutscher Titel: “Besser als der Zufall”) erklärt.
Mittlerweile hat sich JTBD in vielen Management-Prozessen etabliert, zum Beispiel beim Design Thinking oder einem Vorgehen nach Lean Startup. Jobs To Be Done lässt sich in jeder Unternehmensgröße, wie auch in verschiedenen Abteilungen durchführen. Die Ergebnisse sind für Programmierer genauso interessant wie für Marketing- und Vertriebsprofis oder Geschäftsführer.
Der Name Jobs To Be Done basiert auf folgender Annahme von Christensen: Jeder Mensch beauftragt ein Produkt mit einem Job, um einen Fortschritt zu erzielen. Wobei die Bezeichnungen “Beauftragung”, “Produkt”, “Job” und “Fortschritt” weit zu fassen sind.
Ein Beispiel: Sie beauftragen Ihre Kaffeemaschine ein Produkt herzustellen, dass Sie wach macht. Das Ergebnis nennt sich Kaffee, aber es könnte ebenso ein Energy Drink oder ein koffeinhaltige Tee sein. Vielleicht benötigen Sie gar kein Getränk, sondern eine Runde auf dem Laufband oder einen Atemzug frischer Morgenluft? Hauptsache, Ihre Müdigkeit verschwindet.
Genau das ist die Essenz von JTBD: Sie finden heraus, was Ihre Kunden wirklich wollen. Möchten Sie Kaffee trinken oder wach werden? Welchen Fortschritt soll der Job und die Beauftragung bringen?
Die Fragen können Sie auf Software-Produkte übertragen: Wollen die User ein Programm, mit dem sie Zahlen in Zellen eintragen können, um damit Tabellen und Kurven-Diagramme zu erstellen? Suchen Sie eine Lösung, um die Quartalszahlen beeindruckend darzustellen? Oder möchten sie im tiefsten Inneren ihren Chef beeindrucken, damit eine Gehaltserhöhung winkt? Benötigen sie dazu eine Software, die wie Excel funktioniert? Nicht unbedingt.
Menschen brauchen Lösungen, die Tools sind nur das Mittel zum Zweck. Ein bekanntes Sinnbild dafür ist: Die Menschen wollen keinen Hammer kaufen, sondern ein Bild aufhängen.
Jobs To Be Done und die Entwicklung von Innovationen
Innovationen sind wichtig. Durch die Globalisierung, Digitalisierung und Automatisierung stehen Unternehmen zunehmend unter Druck. Produkte, die jahrzehntelang funktioniert haben und erfolgreich waren, werden durch neue Entwicklungen bedrängt. Manchmal fallen die Umbrüche derart stark aus, dass man von Disruption spricht - dem Aufbrechen und Ablösen altbekannter Strukturen.
Eine derartige Disruption geschieht gerade beispielsweise in der Automobilindustrie. Gottlieb Daimler und Carl Benz erfanden 1886 das Auto. Und es funktioniert - vereinfacht gesagt - noch immer wie damals. Bequeme Sitze, effiziente Motoren, Sicherheitssysteme, Navigationsgeräte - das alles waren evolutionäre Entwicklungen der letzten 134 Jahre. Sie haben Sinn gemacht und funktioniert.
Nun steht eine Revolution an, die auf verschiedenen Ebenen geschieht: die Menschen nutzen Carsharing, träumen von autonom fahrenden Autos und Flugtaxis. Sie nutzen E-Bikes und E-Scooter als PKW-Ersatz. Oder sie verzichten auf ihr “Heilig’s Blechle”, weil sie dank E-Commerce und Videokonferenzen das Haus seltener verlassen.
Hinter diesen Veränderungen stecken zahlreiche Gründe. Diese veranlassen die Autofahrer dazu, ihr Verhalten zu verändern. Die Bedürfnisse dahinter können emotionaler, sozialer und/oder funktionaler Natur sein. Welche das genau sind und wie es zu der Verhaltensänderung kam, finden Sie mit der JTBD-Methode heraus.
JTBD als Werkzeug für rückwärtsgerichtete Marktforschung
Was wollen unsere Kunden? Um diese Frage zu beantworten, beauftragen Unternehmen gerne teure Marktforschungsinstitute, die qualitative und quantitative Untersuchungen durchführen. Dabei fragen sie die Probanden, was sie sich wünschen. Oder was sie von einem Produkt halten. Das Problem dabei: Was Menschen denken, was sie sagen und wie sie handeln, sind meist dreierlei Dinge. Wir wissen, dass Autos und Geschäftsflüge umweltschädlich sind und wünschen uns mehr Umweltschutz. Doch bislang gibt es mehr Geschäftswagen als Accounts für Videokonferenz-Tools.
Warum ist das so? Was bewegt Menschen zu ihrem Verhalten und zum Treffen einer Entscheidung? Vor allem zu den Entscheidungen, die eine Verhaltensveränderung oder einen Kauf mit sich bringen? Hier setzt JTBD mit seinem Ansatz an, die Vergangenheit der Befragten zu beleuchten.
Mit einer speziellen Interview-Technik finden Sie heraus, was die Jobs und die Trigger sind. Dabei konzentrieren Sie sich als Interviewer auf die Lebensumstände, spezielle Situationen und Emotionen der Kunden. Das Ziel ist es, die funktionalen, emotionalen und/oder sozialen Bedürfnisse herauszufinden.
Beispiel: Der Job eines Milchshakes
Clayton M. Christensen entdeckte bei seinen Forschungsarbeiten, dass Produkte meist mehr Konkurrenten haben, als die Hersteller selbst wissen. Das bekannteste Ergebnis beschreibt er in seinem “Milkshake Dilemma”. Dieses beleuchtet das Erfolgsgeheimnis der süßen Milchgetränke.
Das Ergebnis fällt erstaunlich aus: Viele Berufspendler kauften morgens vor der Arbeit einen Milchshake. Denn diese lassen sich leicht im Auto konsumieren, ohne zu krümeln oder zu kleben. Sie sorgen durch das “Nuckeln” für Abwechslung im Stau und sie machen satt. Das bedeutet, ein Milchshake konkurriert nicht nur mit anderen Milch-Produkten, sondern auch mit To-Go-Angeboten wie Sandwiches, Müsliriegel und Donuts. Das war nur eine Erkenntnis von Christensen. Denn die Konsumenten, die am Nachmittag einen Milchshake kauften, haben ganz andere Jobs, die das Getränk erfüllen soll.
Wenn Sie die JTBD-Methode anwenden, merken Sie schnell, wie vielfältig die Bedürfnisse Ihrer Kunden ausfallen. Und dass Ihr Produkt schnell durch ein anderes ausgetauscht werden kann, wenn die Kunden das möchten. Zum Beispiel heißen die Mitbewerber von Netflix unter anderem Amazon Prime Video, Disney+ und Apple TV, ebenso Spielkonsole, eBook und Bett. All diese Produkte sorgen dafür, dass Sie sich entspannen können - das ist ihr Job, mit dem Sie beauftragt werden.
Was bedeutet das für die (agile) Software-Entwicklung?
Kommen wir zu einer der eingangs gestellten Fragen zurück: Warum hat Ihr Produkt keinen Erfolg? Dafür kann es viele Antworten geben. Eine könnte sein: Es erfüllt gar nicht oder nur unzureichend die Bedürfnisse Ihrer (potentiellen) Kunden. Oder nicht mehr in dem Maße, wie es das früher einmal getan hat.
Wenn Ihr Produkt schon lange auf dem Markt ist, haben Sie es über die Jahre sicherlich weiterentwickelt. Zum Beispiel, indem Sie neue Funktionen hinzufügten. Doch dieser evolutionäre Fortschritt sorgte dafür, dass Ihre Software nun kompliziert zu bedienen ist. Sie leidet unter der sogenannten “Featuritits”, der Überfrachtung mit Features, welche von der Kernaufgabe ablenken. Die Kunden wenden sich deshalb ab und nutzen eine andere Lösung - in Form einer Konkurrenz-Software, mit einem Workaround oder einem ganz anderen Produkt.
Was möchte der User? Diese Frage kommt auch auf, wenn Sie eine neue Software oder ein anderes digitales Produkt entwickeln. Ein agiles Vorgehen nach Scrum und die Entwicklung eines MVP können Ihnen dabei helfen, ein kundenzentriertes Produkt zu entwickeln. Bei der sukzessiven Verbesserung der Produktvision zeigt sich JTBD als ein nützliches Werkzeug. Eines, mit dem Sie neue Annahmen treffen und validieren.
Betreiben Sie hierzu Feldforschung:
- Befragen Sie eine ausgewählte Gruppe an Nutzern, wie es zum Kauf oder der Nutzung Ihres Produktes kam.
- Damit Ihnen die Befragung leichter fällt, können Sie spezielle JTBD-Interviewkarten verwenden. Und bohren Sie nach, indem Sie beispielsweise die 5-Why-Methode anwenden.
- Halten Sie die Aussagen der Probanden mit einem Diktiergerät (bzw. einer entsprechenden Smartphone-App) fest.
- Werten Sie die Interviews aus. Analysieren Sie die sogenannten Pains (Schmerzpunkte) und Gains (positive, verstärkenden Faktoren), die eine Entscheidung beeinflussten.
- Die Pains und Gains sollten Sie strukturieren, dabei hilft ein Value Proposition Canvas oder das speziell für JTBD entwickelte Wheel of Progress
- Erstellen Sie Job Stories, die nach diesem Prinzip aufgebaut sind: Situation > Motivation > Ergebnis.
Zum Beispiel: “Wenn das Monatsende ansteht, möchte ich von meinem Vorgesetzten für die schicke Darstellung der Umsatzzahlen gelobt werden, um weiter Karriere machen zu können.”
Fazit
Ein Verständnis für die Kunden zu bekommen ist ein komplizierter Vorgang. Einer, der oft auf Annahmen und falsch interpretierten Daten basiert. Damit werden die Verbesserung eines Produktes oder die Entwicklung von Innovationen zu einem Glücksspiel.
Verringern Sie den Faktor Zufall, indem Sie Jobs To Be Done anwenden. Finden Sie damit heraus, warum sich Menschen wirklich für ein Produkt entscheiden. Meist stecken dahinter viele Überlegungen, Gefühle und Auslöser. Die Erkenntnisse können Sie nutzen, um zielgerichteter auf die Kundenwünsche einzugehen. Und damit erschaffen Sie Produkte, die Ihre Kunden gerne nutzen.
Bilder: Adobe Stock, JTBD.de